Geschichte Sri Lankas

Die Geschichte der Insel ist eine höchst wechselvolle gewesen. Die heutigen Konflikte zwischen Singhalesen und Tamilen haben Wurzeln, die Jahrhunderte zurückreichen und immer wieder reichlich Nährboden durch Fehler und Uneinsichtigkeiten auf beiden Seiten fanden. Auf diesem Hintergrund wage ich die Prognose, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis auf dieser wundervollen Insel ein stabiler Frieden hergestellt sein wird. Denken wir nur daran, wie lange wir in Europa gebraucht haben, um zum heutigen Status Quo zu gelangen. Doch zurück zu Sri Lanka, kurz und übersichtlich:

Erste Besiedelung sehr wahrscheinlich bereits vor 500.000 Jahren

Erste historische Erwähnung im 6 Jh. v.u.Z., als ein verstoßener Prinz aus Indien und sein Tross auf der Insel landet. Dies waren die Urväter der Singhalesen=Löwenhaften. Die bereits zuvor auf der Insel lebenden Ureinwohner, die Veddas, sind anderer Herkunft und haben seitdem salopp gesagt- nicht mehr viel auf der Insel zu melden.

Die Chroniken aus dieser Zeit behaupten, Buddha selbst habe bestimmt, das Sri Lanka zum auserwählten Land des Buddhismus werde (von diesem Mythos leitet sich noch heute der singhalesische Nationalismus ab. Dass Gefühl des Auserwähltseins kennen wir auch von anderen Völkern, meist mit furchtbaren Folgen)

437 v.u.Z. wird Anuradhapura als erster Königssitz gegründet, wir können also gesichert davon ausgehen, dass die Zivilisation in Sri Lanka rund 2500 Jahre alt ist.

Der Buddhismus wird ab 248 v.u.Z. in Sri Lanka verbreitet und bald darauf Staatsreligion. Anlass war die Bekehrung des Königs durch den indischen Mönch Mahinda im späteren Mihintale. In der Folge wird auch der heilige Bodhi-Baum in Anuradhapura gepflanzt, der auch heute noch eines der größten Heiligtümer des Landes ist.

Die Tamilen treten um 200 v.Chr. auf den Plan, fallen in Sri Lanka ein und herrschen mehr als 20 Jahre im Norden, wo auch in der jetzigen Zeit ihre Hochburgen liegen. Nachdem sie das erste Mal 161 v.u.Z. geschlagen werden, bleibt Anuradhapura bis 1071 Hauptstadt. Die Überfälle aus Indien gehen permanent weiter.

Der Vater- und Königsmörder Kashyapa zieht sich für einige Jahre bis 495 in der prachtvollen Festung Sigiriya zurück, was übersetzt soviel wie Löwenfelsen bedeutet. Den Löwen finden wir auch als Symbol in der Nationalflagge wieder.

Von 1071 bis 1288 wird das von Indern gegründete Polonnaruwa Hauptstadt mal indischer, mal singhalesischer Herrschaft

Auch danach gehen die Kämpfe mit den Tamilen immer weiter, es gibt keine Ruhe im Land

Um 1500 schließlich tauchen die Portugiesen auf und übernehmen schon nach einigen Jahren die Kontrolle über Sri Lanka. Nach ca. 150 Jahren gehen die Holländer ans Ruder, die sich zuvor mit dem König von Kandy (Hauptstadt seit 1592) verbündet hatten. Übrigens blieb das Königreich von Kandy, also weite landeinwärts gelegene Gebiete, davon unberührt. Erst die Engländer besetzten die ganze Insel. Holländische Residenzen sind Colombo und das im Süden gelegene Galle, dem Verwaltungssitz der Dutchmen. Hier entsteht die mächtige Festung von Galle, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten im Land, die übrigens auch den Tsunami Weihnachten 2004 schadlos überstanden und die historische Altstadt geschützt hat.

Mit Beginn des 19. Jh. übernehmen die Briten das Land bis zum 4.2.1948, dem Tag der nationalen Unabhängigkeit Sri Lankas. Interessant ist noch, dass die Briten mit dem verstärkten Anbau von Tee auch wieder Tamilen ins Land holten. Unter den Singhalesen waren nicht genügend Pflücker zu finden. Später greifen die Briten sehr stark auf die Tamilen zurück, um Posten in Verwaltung und Militär zu besetzen.

Mit der Unabhängigkeit Sri Lankas verschärfen sich jedoch zunehmend die Konflikte zwischen Tamilen und Singhalesen. Diskriminierende Gesetze gegen die tamilische Minderheit (Zugang zu Universitäten, Sprache sowie eine Staatsbürgerschaftsgesetz) führen zu einer zunehmenden Radikalisierung der tamilischen Unabhängigkeitsbewegung, die einen separaten Staat anstreben.

Im „schwarzen Juli 1983“ kommt es zu Ausschreitungen gegen Tamilen nach einem Anschlag auf eine Militäreinheit. 3000 Tamilen werden getötet, Tausende sind auf der Flucht

Danach beginnt der Guerillakrieg der Tamil Tigers im Norden des Landes gegen die singhalesische Armee. Tausende von zivilen Opfern sind auf beiden Seiten zu beklagen, bis zum heutigen Zeitpunkt mehr als 65.000!! Daran ändert auch eine indische Friedenstruppe von ca. 70.000 Soldaten nichts, die von 1987 bis 1990 in Sri Lanka stationiert ist. Im Gegenteil macht sie sich durch Kriegsverbrechen bei Tamilen wie Singhalesen unbeliebt.

Nahezu zeitgleich erhebt sich speziell im Süden des Landes die JVP, vergleichbar mit den Roten Khmer in Kambodscha, zu ihrer „Kulturrevolution“. 6000 Mitglieder der Regierungspartei werden oft grausam getötet, Vergewaltigungen, Plünderungen und Folter sind an der Tagesordnung. Der Aufstand wird ebenso brutal beendet. Todesschwadrone der Regierung liquidieren in kurzer Zeit 30.000!! Mitglieder der JVP (bzw. vermeintliche Mitglieder nach dem Motto: Erst schießen, dann fragen).

Zwischen 1990 und 2002 kann sich das Land ungeachtet des Bürgerkrieges wirtschaftlich erholen. Ausländisches Kapital wird ins Land geholt, Freihandelszonen entstehen. Es entstehen Produktionsstätten durch ausländische Investoren, in denen viele Einheimische Arbeit finden. Nicht nur Fachkräfte, sondern besonders viele ungelernte Hilfskräfte arbeiten in den Fabriken. Vor allem in die Textilbranche wird investiert. Die Tamil-Tigers machen durch spektakuläre Anschläge auf sich aufmerksam: So töten sie den indischen Ministerpräsidenten Rajiv Ghandi und zwei Jahre später auch den von Sri Lanka: Ranasinghe Premadasa. Anschläge auf den Zahntempel, die Zentralbank und den Flughafen 2001 sind traurige Höhepunkte ihrer Guerilla-Taktik. Dabei bedienten sie sich lange vor der Intifada in Palästina Selbstmordanschlägen.

2002 gelingt es unter norwegischer Vermittlung, endlich ein Waffenstillstandsabkommen abzuschließen, das formell bis heute nicht gekündigt wurde.

2005/06 flammen die Kämpfe wieder auf getreu der Devise: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Es fällt schwer, irgendeine rationale Begründung dafür zu finden, wenn man dazu noch überlegt, welche enormen menschlichen und materiellen Verluste Sri Lanka durch den Tsunami im Dezember 2004 erlitt.

Mai 2009: Nach heftigen Kämpfen, die zahlreiche zivile Opfer fordern, ergeben sich die Tamil Tigers den Regierungstruppen. Der Bürgerkrieg ist beendet und es kommt zu keinen weiteren Anschlägen.

Beim Überdenken dieser Fakten kann man nur staunen, dass sich die Menschen in Sri Lanka- und damit meine ich Tamilen wie Singhalesen gleichermaßen- ihre Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft bewahrt und trotz aller Katastrophen immer wieder aufgestanden sind. Wünschen wir ihnen dauerhaften Frieden und die Entwirrung des Knotens aus ethnischen, religiösen und politischen Konflikten.